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13.08.2025

Vertrauensschutz bei Anwendung der Differenzbesteuerung bereits im Festsetzungsverfahren zu berücksichtigen? BFH hat dazu den EuGH um Vorabentscheidung gebeten

Symbolbild zur Differenzbesteuerung: Richterhammer und Waage mit Münzstapeln als Sinnbild für Rechtsprechung und finanzielle Abwägung

Worum geht es grundsätzlich?

Nach § 25a Abs. 1 Nr. 2 UStG setzt die Anwendung der Differenzbesteuerung bei Verkauf eines Gebrauchtgegenstandes durch einen Wiederverkäufer voraus, dass dessen Vorlieferant seinerseits die Differenzbesteuerung zu Recht in Anspruch genommen hat. § 25a UStG enthält keine Regelung zum Gutglaubensschutz. Der Wiederverkäufer kann sich im Steuerfestsetzungsverfahren somit nicht mit Erfolg darauf berufen, in gutem Glauben gehandelt und darauf vertraut zu haben, dass die Anwendung der Differenzbesteuerung durch den Vorlieferanten zu Recht erfolgte. Nach geltender Rechtslage kann über diesen Gutglaubensschutz nur in einem – vom Festsetzungsverfahren getrennten – Billigkeitsverfahren entschieden werden. Der BFH hat vor diesem Hintergrund den EuGH mit Beschluss v. 19.02.2025, XI R 23/24, um Vorabentscheidung gebeten, ob dies unionsrechtlich zulässig ist.

Ausgangsfall

In dem Revisionsverfahren XI R 23/24 geht es um eine GmbH, die Schmuck und Uhren über Online-Plattformen vertreibt. Das FA ging davon aus, dass die GmbH teilweise beim Weiterverkauf von Uhren die Differenzbesteuerung zu Unrecht angewendet habe. Das FG hatte in der Sache entschieden, dass hinsichtlich der streitbefangenen Umsätze eine Anwendung der Differenzbesteuerung mangels entsprechender Voraussetzungen ausscheide. Eine etwaige Gewährung von Vertrauensschutz sei nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gemäß §§ 163, 227 AO möglich. Das FG hatte aber nur innerhalb des Steuerfestsetzungsverfahrens zu entscheiden.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat dem EuGH die Frage gestellt, ob Art. 314 MwStSystRL (Anwendungsbereich und Voraussetzungen der Differenzbesteuerung) unter Beachtung des Effektivitätsgebots einer nationalen Praxis (hier der in Deutschland) entgegensteht, die einen guten Glauben des Wiederverkäufers an die Erfüllung der Voraussetzungen der Differenzbesteuerung bei seinem Vorlieferanten, der in seinen Rechnungen angegeben hat, die Differenzbesteuerung auf die Lieferung an den Wiederverkäufer angewendet zu haben, nur außerhalb des Steuerfestsetzungsverfahrens im Rahmen eines gesonderten Billigkeitsverfahrens berücksichtigt.

Hinweise für die Praxis

Hinsichtlich des Gutglaubensschutzes bestehen in Deutschland seit jeher unterschiedliche Verfahrensbedingungen. Soweit eine Vorschrift des UStG (wie z.B. § 6a, innergemeinschaftliche Lieferungen) selbst den Gutglaubensschutz bzw. Vertrauensschutz regelt, wird dieser im Umsatzsteuer-Festsetzungsverfahren geprüft. Soweit eine UStG-Vorschrift (wie hier § 25a) keine entsprechende Regelung trifft, wird über den Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen nur in dem – vom Festsetzungsverfahren getrennten – Billigkeitsverfahren (§§ 163, 227 AO) entschieden.

Der BFH hat in seinem Vorabentscheidungsersuchen zum Ausdruck gebracht, dass dies unionsrechtlich fragwürdig sein kann. Der BFH verweist auf das EuGH-Urteil v. 18.05.2017, C-624/15 (Litdana), mit dem der EuGH in einem ähnlichen Fall bereits zum Gutglaubensschutz bei der Differenzbesteuerung entschieden hatte. Danach ist es unionsrechtlich unzulässig, einem Unternehmer, der eine Rechnung mit Angaben sowohl zur Differenzbesteuerung als auch zur Befreiung von der MwSt erhalten hat, die Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung zu versagen, selbst wenn eine spätere Prüfung der Finanzbehörde ergibt, dass der Vorlieferant seinerseits die Differenzbesteuerung in Wirklichkeit nicht angewandt hatte, es sei denn, die Finanzbehörde weist eine Bösgläubigkeit des Unternehmers nach.

Der BFH hat auch Zweifel, ob es dem Unternehmer unter Prozesskosten- und Risikoaspekten zumutbar ist, ihn für den Gutglaubensschutz auf ein anderes Verfahren (Billigkeitsverfahren) zu verweisen.